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Wie die
"Stedinger" 1938 den Bremer-Maibaum "raubten"
<< Abschrift
eines Zeitungsartikels aus dem Jahr 1938
>>
Anmerkung:
Diese Abschrift soll
bitte als zeithistorisches Dokument verstanden werden, also als eine interessante
Anekdote aus der damaligen Zeit.
Die im Artikel genannten Namen der beteiligten Personen habe ich nach den
Anfangsbuchstaben des Familiennamen durch xxxx verfremdet.
Auch den damaligen
Gruß " H*** H***** " als auch den Namen des "A-----
H-----" habe
ich verfremdet, da diese Seite meiner Homepage nicht über diesen Suchbegriff
gefunden werden soll.
Bremer Nachrichten, Donnerstag, 5. Mai 1938
Wie Bremen Maibaum auf dem Domshof geraubt wurde
Eine Stedinger-Tat mit Humor. -- Wir spionieren in der Wesermarsch. -- Berner Reiter Sonnabend in Bremen
In friedlicher Freude hatten auch diesmal wieder Bremer Handwerker den herrlich-großen Maibaum mitten auf dem Domshof aufgestellt. Alles war am Vorabend zum 1. Mai klar . . . da geschah das Furchtbare: Bremens Maibaum wurde in der Nacht des 30.April von den Stedingern geraubt. jawohl, regelrecht geraubt; denn am frühen Morgen des 1. Mai hing in drei Meter hoch über dem Boden am Maibaum folgendes Schild:
"Dieser
Baum gilt als geklaut. |
Was war geschehen? Hatte sich jemand einen bösen Streich erlaubt? Nein. Ein Kommando der Stedinger NSDAP=Ortsgruppe Berne (Wesermarsch) war in der nacht in Bremen erschienen und hatte Punkt 1 Uhr von der Bremer Mai-Kostbarkeit Besitz ergriffen. der Maibaum unter dem Bremen seinen Feiertag begangen hat, gehörte uns gar nicht mehr. Wie konnte das geschehen? Entsprechend alten Volksbrauch hätten die Berner den Baum umlegen und abtransportieren müssen. Doch wäre dabei der schöne Schmuck beschädigt worden. Und so kam der Propagandaleiter der Ortsgruppe Berne, Pg. Kxxxxxxxx, auf den Gedanken, den Baum durch eine hölzerne Urkunde zu beschlagnahmen. Ein großartiger Einfall:
Berne forderte . . .
Am Morgen des 1. Mai wurde der Raub also offiziell bekannt. Zu gleicher Stunde lief in der Kreisleitung Bremen ein wahrhaft dokumentarisches Schreiben aus Berne ein:
"Parteigenosse
Bxxxx! 9
Flaschen Wein aus dem Bremer Ratskeller Wir rechnen damit, daß Bremen unsere Forderung anerkennt und wir erwarten eine schriftliche Mitteilung darüber innerhalb 36 Stunden. Nach eintreffen des bremerischen Anerkenntnisses wird Berne einen 9 Reiter staken Reiterzug nach Bremen entsenden, um die Lösung entgegenzunehmen. Berne liegt von nun ab daran, daß der Maibaum Bremens nicht wieder geklaut wird. Wir erbieten uns deshalb in jedem Jahre eine 9 Mann starke Wache in zünftigen Gewändern nach Bremen zur Bewachung des dortigen Baumes zu beordern. Das Aufziehen unserer Wache muß dann Bestandteil der Bremer Feierfolge sein. Die näheren Bedingungen bedürfen noch einer weiteren schriftlichen Festlegung. Aus Vorstehenden mag sich ergeben, daß uns weniger an dem Bremer Maibaum als vielmehr an dem Ausdruck der Tatsache liegt, daß es heute nicht mehr ist wie vor 700 Jahre. H*** H*****! Kxxxxxxxx, Propagandaleiter." |
Bremens fröhliche Antwort
Also
stand es unabänderlich fest: Bremens Maibaum war theoretisch geraubt. Doch
Bremens Hoheitsträger war um Worte und Taten nicht verlegen. Kreisleiter Bxxxxx
setzte sich hin und schrieb noch am Vormittag des 1. Mai folgenden Antwortbrief
nach Berne.
Wir
haben vernommen, daß Ihr als hochedlen nachkommen der Stedinger nicht
mehr den traditionellen Durst auf eine gute Tonne Bremer Biers habt,
sondern daß es Euch gelüstet nach den Schätzen des Bremer
Ratskellers. Ferner haben wir vernommen, daß Ihr unter dem Zeichen des
Maibaums , fünf Jahre nachdem A----- H----- Deutschland regiert
gesonnen seit den Streit Bremen gegen Stedingen zu begraben und sollt
Ihr uns willkommen sein und soll Euer Wunsch nach 9 Flaschen Wein
aus dem Bremer Ratskeller und 9 schwarze Bremer Zigarren erfüllet
werden. So soll auch diesen 9 wackeren Stedingern als Vertretern des
stammverwandten Stedinger Volkes ferner vergunnet sein: Ein Stück
Bremer Schwarzbrot, eine Prise Salz und soll auch eine Wurst dabei sein. So wollen wir auch jährlich unseren Maibaum von neun Stedingern bewachen lassen und diese Sitte für alle Zeiten beibehalten als Ausdruck unsrer zeit, in der auch die Bremer und Stedinger als gute Nachbarn und Stammesverwandte friedlich leben mögen, auf das nicht nur Stedingen und Bremen sondern unser Großdeutschland lebt. Dieses tun wir Euch kund und wissen und erwarten Euren brieflichen Bescheid. -- Gegeben im Jahre V des Dritten Reiches welches sein wird ein tausendjähriges, so gegründet wurde von A----- H----- dem Einiger Großdeutschlands. H*** H*****! Bxxxxx, Kreisleiter |
Voller Spannung warteten die beteiligten Stellen in Bremen nun auf die Antwort der Berner. Eines war klar: aus dem humorvollen Beginnen der Stedinger hatte sich schon der fest umrissene Plan eines neuen Brauchtums entwickelt, das von nun an alljährlich zur Feier des 1. Mai in Bremen gehören wird. Kreisleiter Bxxxxx hatte inzwischen Gauleiter Cxxx Rxxxx und den Reg. Bürgermeister Böhmcker von den Vorfällen und der Bremer Antwort Kenntnis gegeben und Sie zur ersten Auslösungsfeier eingeladen.
Sonnabend: große Auslösung
Noch
stand die Frage offen, wann in diesen Tagen nun erstmalig diese Auslösungs- und
Verbrüderungsfeier in Bremen vor aller Öffentlichkeit steigen werde, da traf
Mittwochnachmittag aus Berne folgendes zusagende Dokument ein:
"Wir
haben mit großer Freude vernommen, daß Ihr gesonnen seid, mit uns
zusammen einen alten Brauch in neuer Form entstehen zu lassen. Was wir
uns gegenseitig versprochen, soll gültig sein als ein von deutschen
Männern gegebenes Wort. Kxxxxxxxx, Propagandaleiter." |
Das Programm der Domshof-Feier
Wir
waren nun gestern draußen in Berne, haben hierhin und dahin gehorcht, bis wir
schließlich mit dem Urheber des Maibaum-Raubes selber sprachen. Pg. Kxxxxxxxx
(Berne) erzählte uns zunächst etwas über das Programm des Sonnabends:
6 Uhr früh: Abmarsch der Stedinger Reiterschar ( Politischer Leiter und 8
Trachtenreiter) von Berne, Rast in Stromerdeich. dann weiterritt bis Bremen.
Etwa 12.30 Uhr Eintreffen der Reiter an der A-----
H----- Brücke zu Bremen. Dort Einholen durch eine Musikkapelle. gemeinsamer
Marsch zum Domshof.
13 Uhr: Die Reiterschar wird an den Bürgermeister von Berne, Pg Müller,
gemeldet, der seine neuen Mitbürger bereits erwartet. Dann spricht Bernes
Bürgermeister zur Bremer Bevölkerung in plattdeutscher Mundart.
Anschließend wird voraussichtlich Kreisleiter Bxxxxx zu den Stedingern
sprechen, bis dann die feierliche Auslösung des Maibaums mit Überreichung
einer Urkunde folgt. dabei wird Bremen den Stedingern
die 9 Flaschen Wein
aus dem Bremer Ratskeller sowie die neun schwarzen Bremer Zigarren überreichen.
Darüber hinaus werden auch das versprochene Stück Bremer Schwarzbrot, die
Prise Salz und die Wurst nicht vergessen werden. -- ob Bremen von sich auch noch
besondere Bedingungen stellen wird, verriet uns der Kreisleiter Bxxxxx -- den
wir gestern über den Maibaumraub und die nun alljährlich wiederkehrende
Einlöse befragten -- nicht. Aber es sieht so als ob . . .
Baumwache sollte gefesselt werden!
Über
den Plan des Maibaum-Raubes und seine Durchführung erzählte uns Pg. Kxxxxxxxx
in Berne interessante Einzelheiten. " Seit 14Tagen schon" so sagte er
u. a., "trug ich den Plan insgeheim mit mir herum. die Sache mußte
gelingen. wir kundschaften die Gegend in Bremen aus und überzeugten uns sogar
vom Fortschreiten der Arbeiten am Bremer Maibaum. In der Werkstatt eines
Handwerkers erkannten wir dann, daß der Baum und die Handwerkssymbole
doch zu groß sein würden, um den ganzen Baum umlegen und abtransportieren zu
können. Und da heckten
wir die Sache mit dem Holzschild (als Rauburkunde) aus.
In der Nacht zum 1. Mai fuhren wir dann im Kraftwagen nach Bremen. Zwei
kräftige Stedinger und drei Mädel! Jawohl, wir hatten nämlich mit Baumwachen
gerechnet und wollten Sie durch geschickte Manöver ablenken. Im Auto hatten wir
außerdem ein Bündel Stroh und mehrere Meter Stricke. Wäre der Bremer Maibaum
wirklich bewacht gewesen, so hätten wir hinter dem Teichmannbrunnen das Stroh
in Brand gesetzt.
Die Wachleute wären bestimmt hingekommen und uns genau in die Arme gelaufen.
Das Fesseln der Wache mit den bereitgehaltenen Tauen wäre eine Kleinigkeit
gewesen. (Na, Na !
Schriftltg.)
Kurz nach Mitternacht
kamen wir in Bremen an, parkten vor der "Glocke" und gingen zum
Domshof. Zur größtem Überraschung war der Baum unbewacht, so daß wir leichte
Arbeit hatten und mit Holzschild, Hammer und Nägel ans Werk gehen konnten. Der Baum
war also unser"
Ein Maibaumraub, drei Briefe, genügend Humor und am kommenden Sonnabend eine Feier in aller Öffentlichkeit auf dem Bremer Domshof: in wenigen Tagen ist ein uralter Brauch ( der Maibaumraub zwischen einzelnen Dörfern ist von jeher Gang und Gäbe) neu erstanden. das Schöne an ihm ist in diesen besonderen Fall die Symbolik, daß Bremen und Stedingen nie mehr -- wie in der Schlacht bei Altenesch -- in blinder Verhetzung einander zerfleischen, sondern als Brüder eines Volkes in aller Ewigkeit treu zueinander stehen werden!
-nel.
Einzug der Stedinger Reiter
auf dem Domshof
Bremer Nachrichten, Sonntag, 8. Mai 1938
Bremen hat seinen geraubten Maibaum ausgelöst
Stedinger
Reiter auf dem Domshof
Eine launige plattdeutsche Feier
Nun haben wir Bremer unserem Maibaum wieder! Zwar stand er während der vergangenen Woche auf dem Domshof, aber die Besitzrechte waren den Stedingern nach ihrem schneidigen Unternehmen in der ersten Mainacht vom Bremer Kreisleiter bestätigt worden. Und zugebilligt war den wackeren Stedingern auch die Einlösung der Forderung auf neun Flaschen Wein aus dem Bremer Ratskeller und neun schwarzen Bremer Zigarren.
Diesen zünftigen Tribut haben sich neun Stedinger hoch zu Roß gestern Mittag aus Bremen geholt, und viele Bremer waren auf dem Domshof Zeugen der launigen Handlung, die an altes Brauchtum anknüpft. In ihren farbigen Gewändern, wie sie die Altvorderen trugen waren die Stedinger unter Voranritt eines politischen Leiters unangefochten durch den am Morgen rieselnden Regen, früh aus Berne aufgebrochen; in Stromerdeich hatten sie Rast gemacht. In Bremen wurden sie am Brückenkopf der A----- H-----Brücke von einem Fanfarenzug des Jungvolkes eingeholt. Dann ging es mit schmetternden Klängen hinein in die Bremer Innenstadt, bis der abgesperrte Domshof mit dem "geklaute" Maibaum erreicht war.
Links und rechts neben ihrem besorgten Besitztum nahmen die Stedinger Reiter Aufstellung. dann dröhnten zwei Schläge hoch von den Domtürmen, die Auslösung des Bremer Maibaums begann. der Bürgermeister von Berne, Pg Müller, sprach zum Kreisleiter Bxxxxx und zur bremischen Bevölkerung in humorvoller plattdeutscher Rede. Die Feststellung, daß der Maibaum in der ersten Mainacht von den Bernern geklaut worden sei, folgte dumpfes Volksgemurmel, doch als Bürgermeister Müller sagte, daß nun der Streit begraben sei, hellten sich die Mienen auf und freudige Zurufe ertönten. Ansonsten machte Bürgermeister Müller noch viele treffende Bemerkungen über Stedingen, Bremen und nicht zuletzt über den Bremer Ratskeller.
Kreisleiter Bxxxxx stellte ebenfalls in plattdeutscher Sprache seinerseits fest, daß der Streit begraben sei: ein fester Händedruck besiegelte diese Tatsache. Dann erzählte Kreisleiter Bxxxxx von alten Zeiten, da mancher Bruderzwist das norddeutsche Land durchtobt habe. Doch jetzt seien diese Kämpfe vergessen, Bremen und Stedingen verbinde das freundschaftliche Verhältnis. Kreisleiter Bxxxxx beendete seine Ansprache mit dem Ruf: "Grotdütschland up ewig ungedeelt !"
Nun
erhielten die Stedinger neun Flaschen Wein aus dem Ratskeller, die ein Küfer in
seiner Arbeitstracht in einem Korb bereithielt. Ein fröhlicher Tropfen vom
Rheingau war es 1935 Johannesberger Mäuerchen. Und auch die neun Bremer Zigarren wurden nicht vergessen. der Führer des Berner Reiterzuges dankte und bestätigte, dass alles richtig empfangen worden sei. Als Zeichen der erfolgten Auslösung des Bremer Maibaumes überreichte der dem Bremer Kreisleiter eine Urkunde in glanzvoller silberner Hülle. Diese Urkunde hat folgenden Wortlaut: |
|
In der Nacht vom 30.April auf den 1. Mai 1938 wurde der Bremer Maibaum auf dem Domshof zu Bremen
von den Stedingern geklaut. Gegeben zu Bremen am 7. Mai 1938 Die
Stedinger
dafür: |
Wenn auch die Redewendung von den "erworbenen Besitzrechten" eine sehr wohlklingende Umschreibung des zugrunde liegenden Tatbestandes war, so ließ Kreisleiter Bxxxxx doch großzügig die Urkunde gelten und lud die braven Stedinger Reiter, unter denen sich auch der "Räuberhauptmann" befand, zu einem herzhaften Mahl aus Schwarzbrot und Mettwurst, bei dem die Prise Salz nicht fehlte, nach den Altdeutschen Bierstuben.
Nach hellen Fanfarensignal ging es hinüber zur Peljerstrasse, wo schon Trank und Speise bereit waren. in der Gaststätte fanden sich auch viele Stedinger "Schlachtenbummler" ein, um das ende des fröhlichen Krieges gebührend zu feiern. mancher rat wurde noch gepflogen über Beteiligung der Berner beim Aufziehens des Bremer Maikranzes in den kommenden Jahren, Heute Abend soll diese Beratung in gemütlicher Runde in Berne fortgesetzt werden, denn die Bremer machen den Stedingern einen Gegenbesuch.
Quellen:
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